Forschungsreihe âNationalsozialismus in Welsâ mit Band IV abgeschlossen
Das Forschungsprojekt
Zur Zielsetzung des Forschungsprojektes heiĂt es im Vorwort zu Band IV wörtlich: âZiel war es, eine Zeitperiode, die Wels auf jeder Ebene der Gesellschaft â sozial, politisch, physisch und psychisch â erschĂŒtterte, wissenschaftlich aufzuarbeiten und zu publizieren, um so einer breiten Leserschaft den Zugang zu diesem Themenkomplex zu ermöglichen. Die einzelnen Themenbereiche wurden definiert, und es wurde versucht, ausgewiesene Experten zu finden, die diese bearbeiten. Dies ist weitgehend gelungen: Es konnten 25 wissenschaftliche AufsĂ€tze umgesetzt werden, die heute vorliegen.â
Unter der FederfĂŒhrung des mittlerweile pensionierten ehemaligen Archiv-Leiters Konsulent GĂŒnter Kalliauer wurden die ersten beiden BĂ€nde bereits in den Jahren 2008 beziehungsweise 2012 veröffentlicht. 2015 folgte Band III bereits unter der Ăgide von Nachfolger Mag. Michael Kitzmantel, der nun auch fĂŒr den Abschlussband verantwortlich zeichnet. Die ersten drei BĂ€nde liegen im Stadtarchiv im Herminenhof (Maria-Theresia-StraĂe 33) auf und können dort â natĂŒrlich auĂer zu Zeiten eines Lockdowns â eingesehen werden.
Der vierte Band
Der nun erscheinende Band IV umfasst 252 Seiten und neun wissenschaftliche AufsĂ€tze. Die sieben Autoren sind neben Mag. Michael Kitzmantel und Mag. Karin Bachschweller vom Stadtarchiv Univ.-Doz. Dr. Florian Freund (UniversitĂ€t Wien, ehemals Dokumentationsarchiv des Ăsterreichischen Widerstandes), Mag. Peter Eigelsberger (Leiter Dokumentationsstelle Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim), Franz Scharf (Oberösterreichisches Landesarchiv) sowie die freien Historiker Dr. Hermann Volkmer und Sandra PfistermĂŒller, MA. Das Buch ist zum Preis von 25 Euro nach Ende des Lockdowns im Stadtarchiv (Maria-Theresia-StraĂe 33), im Tourismusverband (Stadtplatz 44) sowie im Welser Buchhandel erhĂ€ltlich. (Dort und im Stadtarchiv werden auch die BĂ€nde II und III zum reduzierten Preis von 20 Euro zum Kauf angeboten). Die einzelnen Kapitel von Band IV werden im kommenden Jahr auch mit einer historischen Artikelserie im Amtsblatt âWels informiertâ vorgestellt.
Inhaltliches
Schwerpunkte von Band IV bilden die kommunale Politik und das Jahr 1945, ergĂ€nzt um die Einzelthemen Bauwesen, Entnazifizierung und die Flugzeug- und Metallbauwerke Wels. Mag. Karin Bachschweller fĂŒhrt den Leser in die Biographien der nationalsozialistischen Hauptakteure ein: Sie beleuchtet das Leben der NS-BĂŒrgermeister Dr. Leo Sturma (1938-1939) und Josef Schuller (1939-1945) sowie von Hermann Markut (FĂŒhrer der lokalen SS) und Walter Ebner (dessen Pendant in der SA).
In einem weiteren Kapitel geht Mag. Bachschweller nĂ€her auf die Kommunalpolitik unter BĂŒrgermeister Schuller ein, Mag. Michael Kitzmantel macht zuvor selbiges mit dessen VorgĂ€nger Dr. Sturma (der ĂŒbrigens 1940 bis 1944 auch OberbĂŒrgermeister von Linz war). Damit und mit seinem Kapitel ĂŒber Kriegsende und Neubeginn (Wels von April bis Dezember 1945, bereits prĂ€sentiert im Amtsblatt Mai 2020 zum JubilĂ€um â75 Jahre Kriegsendeâ) schlieĂt Mag. Kitzmantel den Kreis, den er mit dem Artikel ĂŒber den âAnschlussâ in Band I begonnen hat.
Das bewĂ€hrte Historiker- und Stadtarchiv-Kollegen-Gespann Kitzmantel/Bachschweller stellt in seinem Kapitel ĂŒber die TodesmĂ€rsche ungarischer Juden durch Thalheim und Wels die Zeitzeugenaussagen in den historischen Kontext. So erhĂ€lt der Leidensweg der 15.000 bis 20.000 Opfer zusĂ€tzlich zu den bisher rein wissenschaftlichen Publikationen â und dem alljĂ€hrlichen Gedenken im FrĂŒhling am Welser Stadtfriedhof â eine breitere Ăffentlichkeit.
Ebenfalls aus der Feder von Mag. Kitzmantel (unter Mitarbeit von Ing. Wolfgang Neuwirth und Ernst Witibschlager) stammt der Abschnitt ĂŒber die Flugzeug- und Metallbauwerke Wels. Dieser NS-GroĂbetrieb mit 1.900 BeschĂ€ftigten wurde ĂŒbrigens als einziger nach dem Krieg nicht weitergefĂŒhrt. HauptaktionĂ€re waren damals ĂŒbrigens Herzog (1887-1953) und Prinz (1914-1987) Ernst August von Hannover, deren 1954 geborener gleichnamiger Enkel beziehungsweise Sohn aufgrund diverser VorfĂ€lle einen durchaus groĂen Bekanntheitsgrad â samt einschlĂ€giger Spitznamen â genieĂt.
Gemeinsam mit Univ.-Doz. Dr. Florian Freund hat sich Mag. Kitzmantel zudem mit dem Konzentrationslager Wels II beschĂ€ftigt. Das Kapitel bringt dank einer neuen Quelle den endgĂŒltigen Beleg fĂŒr den Standort des âkurzfristig bestehenden Lagers in der Endphaseâ in der ReichsnĂ€hrstandshalle (spĂ€ter âHalle der Nationenâ) und neue Details ĂŒber den Arbeitseinsatz der rund 2.000 KZ-HĂ€ftlinge. An das KZ Wels II erinnert seit kurzem ein Gedenkstein beim Park vor dem ehemaligen MessebĂŒro.
Dr. Hermann Volkmer widmet sich in seinem Text ĂŒber die Bauprojekte zwischen 1938 und 1944 einem breiten Spektrum: Dieses reicht vom Zweckbau, wie der erwĂ€hnten ReichsnĂ€hrstandshalle, ĂŒber verschiedene nie verwirklichte Vorhaben bis zum Wohnbau. Dieser wurde entgegen der allgemeinen Entwicklung bis 1942 fortgefĂŒhrt: Ganze Siedlungsblöcke der sogenannten âHitlerbautenâ entstanden nicht nur im neuen Stadtteil Vogelweide, sondern auch in der Neustadt und im sĂŒdlichen Lichtenegg.
Das Autoren-Team Sandra PfistermĂŒller, MA, Mag. Peter Eigelsberger und Franz Scharf gibt einen Einblick in Theorie und Praxis der Entnazifizierungsprozesse und ihren zeitabhĂ€ngigen Ausgang. Ein weiteres Kapitel konnte leider nicht zeitgerecht fertiggestellt werden: âDie Welser Gruppeâ von Konsulent GĂŒnter Kalliauer erscheint als ErgĂ€nzung im Laufe des Jahres 2021.
Zitate
BĂŒrgermeister Dr. Andreas Rabl: âWir lernen aus der Geschichte. Deshalb ist es so wichtig, politische, wirtschaftliche und auch unmenschliche Geschehnisse von damals aufzuarbeiten. Nur wer die Vergangenheit kennt, kann Verantwortung ĂŒbernehmen, Fehler vermeiden und Zukunft gestalten.â
Kulturstadtrat Johann Reindl-Schwaighofer, MBA: âDie wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Geschichte der Stadt Wels ist ein wichtiger Beitrag, um falsch ĂŒberlieferte Mythen ĂŒber Personen, Ereignisse und ZustĂ€nde in dieser unmenschlichen Zeit zurechtzurĂŒcken.â
Bildhinweise: Stadt Wels (Gruppenbild BuchprÀsentation) sowie Stadtarchiv Wels (historische Fotos). Bei Nennung Abdruck jeweils honorarfrei.