Integration ist Pflicht - Integration statt Segregation!
Allgemeine Informationen des Segregationsberichts
Auf Basis dieser Befragung wurden auch empirisch problematische Gruppen identifiziert und die damit im Zusammenhang stehenden Lebenswelten, Einstellungen und Wertvorstellungen näher beleuchtet. Im Rahmen der Integrationsbefragung 2022 wurden auch Fragen zur sozialen und normativen Integration gestellt. Weiters wurden die Bereiche Politik, Religion, Gewaltbereitschaft, Familien- und Geschlechterrollen sowie Kontakte und Freundschaften mitabgedeckt.
Die Ergebnisse dieser Befragung sind auch für die Stadt Wels im Zusammenhang mit der notwendigen Integrationspolitik von höchster Bedeutung. Dies betrifft insbesondere die Themen Politik, Religion, Gewaltbereitschaft, aber auch Familien- und Geschlechterrollen, Bildung, Arbeit und Parallelgesellschaften.
Hervorstechende Ergebnisse sind beispielweise, dass ein Viertel der Zugewanderten einen starken Führer an der Spitze des Staates befürwortet, eine große Mehrheit für ein Verbot eintritt, sich über Religionen lustig machen zu dürfen (mehr als 70 Prozent), ca. zehn Prozent Gewalt bei Ehrenbeleidigung befürworten und fast die Hälfte der Zugewanderten mit jüngerer Migrationsgeschichte den Lebensstil der österreichischen Frauen für zu freizügig halten.
Besonders problematisch ist, dass 80 Prozent der Befragten in Österreich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Parallelgesellschaften wahrnehmen. Dabei ist die Sprachbarriere die größte Hürde, insbesondere bei Frauen mit Migrationshintergrund. Als Ursache für Sprachdefizite werden eigene migrantische Versorgungsstrukturen gesehen, wodurch Deutschkenntnisse für die Bestreitung des Alltags weniger wichtig sind.
Besonders interessant sind auch die Ergebnisse zu den sogenannten Auto-/Motorcliquen. Die Gruppierung wird als mehrheitlich männlich eingeschätzt und besteht aus vorwiegend älteren Jugendlichen und jungen Männern. Diese Gruppe wird mit Ruhestörung und Verschmutzung, zum Teil auch mit provokant aggressivem Verhalten in Verbindung gebracht.
Die Clique wird als Szene beschrieben, die sich ganz der motorischen Fortbewegung und deren Möglichkeiten verschrieben hat. Es geht um getunte Autos, Motorräder und Mopeds. Überwiegend kommt die Szene in kleineren Städten vor. Bei einem Teil der Szene steht illegales Tunen der Fahrzeuge im Zentrum. Jugendliche holen sich über diesen Bereich Anerkennung und Selbstwert bei ihrer Gruppe. Man ist stolz auf sein Fahrzeug, auf dem große Teile des Selbstwerts beruhen, und es kommt zu einer Art „Platzhirschverhalten“.
Besonders interessant ist der Segregationsbericht, weil auch Stakeholder in ausgewählten Bezirken – unter anderem Wels-Stadt – befragt wurden.
Dabei ergibt sich im Zusammenhang mit der Demografie, dass Wels 4,2 Prozent der oberösterreichischen Bevölkerung hat, jedoch 14,3 Prozent aus einem Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien außerhalb der EU in Wels leben (OÖ 4,4 Prozent). Die größte Migrantengruppe sind somit eindeutig Personen mit einem Geburtsland in einem der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Der Anteil der Flüchtlinge in Wels ist mit 2,6 Prozent im Vergleich zu anderen großen Städten eher gering.
Der Anteil der Bevölkerung bezogen auf die häufigsten Geburtsorte im Ausland sind Bosnien und Herzegowina mit 7,8 Prozent, die Türkei mit 3,5 Prozent und Serbien mit 3,2 Prozent. Allerdings ist anzumerken, dass viele der im Ausland Geborenen zwischenzeitig eine österreichische Staatsbürgerschaft erhalten haben. So sind zwar 4.914 Personen aus Bosnien und Herzegowina im Ausland geboren, tatsächlich haben aber ca. 50 Prozent dieser Personen seither die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen. Derzeit haben nur mehr etwa 2.580 Personen die Staatsbürgerschaft von Bosnien und Herzegowina.
Die größte Ausländergruppe in Wels sind die Kroaten mit ca. 3.180 Personen, gefolgt von den Bosniaken mit 2.580 Personen, den Rumänen mit 1.950 Personen, den Ungarn mit 1.790 Personen, den Türken mit 1.750 Personen, den Serben mit 1.730 Personen, den Nordmazedoniern mit 1.510 Personen und den Deutschen mit 1.120 Personen.
Wesentlich geändert hat sich seit 2015 die Zusammensetzung der in Wels lebenden Ausländer. So sind 48 Prozent der Ausländer Staatsbürger der Europäischen Union, 52 Prozent Drittstaatsangehörige. 2015 waren dies noch 41 Prozent beziehungsweise 59 Prozent.
Ist-Zustand in Wels
Erwerbstätigkeit
66,3 Prozent aller im Ausland Geborenen gehen einer Erwerbstätigkeit nach. Diese Quote liegt um 3,6 Prozent niedriger als bei jenen der in Österreich Geborenen (69,9 Prozent). Bei den aus einem Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien außerhalb der EU Geborenen liegt die Erwerbsquote sogar bei 70,4 Prozent, bei Personen aus sonstigen Drittstaaten (Syrien, Afghanistan etc.) nur bei 56,4 Prozent. Bei Personen mit einem Geburtsort in einem Fluchtherkunftsland liegt die Quote nur bei 52,1 Prozent. Am höchsten liegt die Erwerbsquote bei Personen aus Bosnien und Herzegowina, nämlich bei 75,7 Prozent.
Auch die Arbeitslosigkeit unterscheidet sich wesentlich zwischen den im Ausland und den in Österreich Geborenen. So betrug die Arbeitslosenquote der in Österreich Geborenen 9,1 Prozent, jene der im Ausland Geborenen 15,1 Prozent. Dabei haben Personen aus Fluchtherkunftsländern eine Arbeitslosenquote von 26,3 Prozent, aus Syrien 27,4 Prozent oder aus der Russischen Föderation (Tschetschenen) 28,4 Prozent.
Noch dramatischer ist der Unterschied bei der Jugendarbeitslosigkeit. Diese lag bei den in Österreich Geborenen bei 12 Prozent, bei den in Fluchtherkunftsländern Geborenen bei 28,2 Prozent und bei den in Russland Geborenen bei 30,3 Prozent. Die niedrigste Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen aus Drittstaaten haben in Wels jene aus dem Kosovo (9,8 Prozent) und jene aus Bosnien und Herzegowina (13,3 Prozent).
Bildung und Sprache
Im Jahr 2020 lag der Anteil der Personen mit maximal Pflichtschulabschluss bei den in Österreich Geborenen bei 24,7 Prozent, bei Personen aus der EU bei 48,7 Prozent, bei Personen aus sonstigen Drittstaaten bei 62,2 Prozent und bei Personen aus Fluchtherkunftsländern bei 73 Prozent. Damit liegt Wels bei den im Ausland geborenen Personen mit maximal Pflichtschulabschluss mit 50,9 Prozent weit über dem Österreichschnitt mit 39,8 Prozent.
Dies macht sich auch bei den außerordentlichen Schülern bemerkbar. Bei insgesamt 14.074 Schülern hatten 625 (4,4 Prozent) einen außerordentlichen Status, wovon 249 im Ausland geboren wurden. Auch bei der Umgangssprache ist diese Entwicklung ersichtlich. Im Schuljahr 2019/2020 hatten in Wels 57 Prozent der Schüler eine andere Umgangssprache als Deutsch. Das ist im Vergleich zu Österreich (26,4 Prozent) und Oberösterreich (22,5 Prozent) ein sehr hoher Anteil. 30 Prozent der Schüler in Wels verwenden im Alltag primär Bosnisch/Kroatisch/Serbisch oder Türkisch, während 27 Prozent bereits eine andere Fremdsprache benützen.
Der Großteil der Schüler mit Türkisch oder Bosnisch/Kroatisch/Serbisch als erster Umgangssprache wurde bereits in Österreich geboren. Selbst unter den in Österreich geborenen Schülern ist die erste Umgangssprache zu 50 Prozent eine andere als Deutsch. Diese Zahlen werden auch durch die Daten aus den Kindergärten bestätigt. 51 Prozent der Kindergartenkinder sprechen zu Hause eine andere Sprache als Deutsch. In den städtischen Kindergärten haben von 1.334 Kindern 72 Prozent Sprachförderbedarf in der deutschen Sprache.
Besonders problematisch ist, dass trotz der mangelhaften Deutschkenntnisse nur ein ganz geringer Prozentsatz der jeweiligen Volksgruppe die von Wels angebotenen Deutschkurse besucht.
Kriminalität
38,5 Prozent aller Tatverdächtigen in Wels haben einen Migrationshintergrund. Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen stellten in Wels mit 44,9 Prozent die größte Deliktsgruppe unter ausländischen Tatverdächtigen dar. Der Prozentsatz bei Straftaten gegen Leib und Leben lag bei 22,2 Prozent. Dabei waren knapp zwei Drittel der Tatverdächtigen Drittstaatsangehörige.
Integrationsmaßnahmen
Unter Integration versteht man die gleichberechtigte Chance der Teilhabe an den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, wie Erziehung, Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit. Für eine erfolgreiche Teilhabe braucht es in erster Linie die gemeinsame Sprache Deutsch.
Massiv in Sprachförderung investieren
Seit dem Jahr 2016 werden in Wels Kinder ab dem dritten Lebensjahr in der deutschen Sprache gezielt gefördert. Die Bundesförderung gibt es erst für Vierjährige. Wels trägt somit die Kosten der Frühförderung selbst. Insgesamt sind 47 Sprachpädagogen in den Welser Kindergärten tätig. Zudem wurde die Fördereinheit von einer halben auf eine ganze Stunde ausgeweitet. Von den insgesamt zwölf Betreuungseinrichtungen sind elf sogenannte Hotspot-Kindergärten. Einige weisen einen Anteil von 98 Prozent an Kindern mit Sprachförderbedarf auf.
Nach einer ersten Evaluierung der frühen Sprachförderung im Jahr 2020 wurde in allen Sprachgruppen eine Verbesserung der deutschen Sprachkenntnisse festgestellt. Der Evaluierungsbericht zeigt deutlich die Notwendigkeit und auch die Effektivität der Sprachförderung ab drei Jahren. Anknüpfend an diesen Erfolg muss die frühe Sprachförderung ausgebaut werden. Aus Sicht der Stadt Wels wäre es höchste Zeit, dass das Land Oberösterreich die Sprachförderung finanziell für alle Kinder ab Eintritt in den Kindergarten unterstützt.
Verpflichtendes zweites Kindergartenjahr
Ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr kommt vor allem jenen Kindern zugute, die Deutsch nicht als Muttersprache haben. Experten sind sich einig, dass das Erlernen einer Zweitsprache nicht früh genug beginnen kann. Mit einem zweiten verpflichtenden Jahr wäre gewährleistet, dass wirklich alle Kinder, die eine Sprachförderung benötigen, die deutsche Sprache ausreichend erlernen. Ausnahmemöglichkeiten von dem verpflichtenden zweiten Kindergartenjahr sollte es für alle Kinder geben, die über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen.
Besserer Austausch zwischen Kindergärten und Volksschule
Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen die im Kindergarten gesammelten Daten nicht an die Volksschulen weitergeleitet werden. Deshalb fehlen einerseits das Feedback für die Sprachpädagogen, ob der Wortschatz ausreichend sei, und andererseits die Erkenntnisse aus der Sprachförderung für die Volksschullehrer. Der Austausch zwischen Kindergärten und Volksschulen ist dringend erforderlich, um die Sprachförderung weiter zu optimieren und an die jeweiligen Anforderungen anzupassen.
Deutschförderung in Volksschulen ausbauen
Für alle Schüler mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen sollten am Nachmittag verpflichtende Deutschstunden stattfinden, um die Sprachkenntnisse weiter zu verbessern. Aufgrund der Sprachdefizite haben viele Kinder keine Möglichkeit, einem geregelten Unterricht zu folgen. Hier müssen Land und Bund zusammenarbeiten und Ressourcen freisetzen. Ohne ausreichende Deutschkenntnisse hat eine erfolgreiche Integration keine Chance.
Sprachförderung in Horten und bei der schulischen Nachmittagsbetreuung
Die Stadt Wels wird Mittel zur Verfügung stellen, um eine Sprachförderung auch in den Horten zu ermöglichen. Auch das Land sollte diesbezüglich im Bereich der Nachmittagsbetreuung an den Schulen Sprachfördermöglichkeiten schaffen.
Lehrwerkstätten für Jugendliche mit Sprachdefiziten
Trotz vieler offener Lehrstellen können die freien Plätze oft nicht besetzt werden, weil die Jugendlichen häufig große Sprachdefizite haben. Aus diesem Grund sollte es eigene Lehrwerkstätten geben – mit einem Schwerpunkt in deutscher Sprachförderung. Hier braucht es dringend neue Lernkonzepte.
Arbeitspflicht für Asylwerber
Aus Sicht der Stadt sollte die Möglichkeit, Asylwerber für gemeinnützige Hilfsarbeiten im kommunalen Bereich einzusetzen, ausgedehnt werden. Dies sollte nicht nur möglich sein, sondern verpflichtend vorgeschrieben werden. Damit könnten einerseits wichtige Dienste an der Allgemeinheit verrichtet werden, andererseits könnte damit dem Recht auf Versorgung auch die Pflicht zu einem gemeinnützigen Dienst gegenübergestellt werden.
Wesentlich wäre diese Arbeitspflicht auch, um Parallelgesellschaften zu vermeiden. Gerade eine regelmäßige Arbeitstätigkeit trägt dazu bei, in einer Gesellschaft integriert zu werden, fehlende Sprachkenntnisse auszugleichen und nach den Regeln der österreichischen Gesellschaft zu leben.
Wels als Vorzeige-Region für das Modell „Integration ist Pflicht“
Der Segregationsbericht des österreichischen Integrationsfonds zeigt die vielfältigen mit der Integration verbundenen Probleme. Wels hat nicht nur einen historisch begründeten hohen Ausländeranteil, sondern darüber hinaus auch viel Erfahrung im Bereich der Integration. Trotzdem ist festzuhalten, dass auf kommunaler Ebene viele Integrationsmaßnahmen nicht wirksam umgesetzt werden können, weil einerseits das Geld, andererseits aber auch die Zwangsmittel fehlen, um integrationsunwillige Migranten von der Notwendigkeit einer Integration zu überzeugen.
Wels möchte daher dem Bund als Modellregion für eine weitergehende Integration zur Verfügung stehen. Dabei sollte das Motto „Integration ist Pflicht“ im Vordergrund stehen. Im Rahmen dieser Modellregion könnten verschiedene Integrationsansätze in einem kleineren urbanen Raum getestet und evaluiert werden, um sie in der Folge auf ganz Österreich auszurollen. Insbesondere die Bereiche Bildung, Sprachförderung und Arbeitsmarktintegration bieten sich dafür an. Notwendig in diesem Zusammenhang ist aber eine Unterstützung von Bund und Land. Erste Gespräche dazu wurden bereits geführt.
Wels hätte die großen Vorteile, dass einerseits eine hohe Kooperationsbereitschaft von Seiten der Stadt vorhanden ist, da die oben dargestellten Probleme nicht kleingeredet, sondern konkret angegangen werden. Darüber hinaus hat die Stadt eine ideale Größe, um als Modellregion zu fungieren. Weiters liegen bereits wissenschaftliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit einer Sprachfrühförderung aufgrund der seit 2016 bestehenden Sprachförderungen in den Kindergärten vor.
Ziel ist es, durch verschiedene Integrationsmaßnahmen, die wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden, das Sprach- und Integrationsniveau in Wels wesentlich zu erhöhen, damit Parallelgesellschaften und Segregation zu vermeiden sowie ein gedeihliches Zusammenleben aller Gruppen zu ermöglichen. Als nächster Schritt sollen im Gemeinderat Resolutionen an das Land und den Bund vorgelegt werden.
Bürgermeister Dr. Andreas Rabl: „Wels hat sehr früh begonnen, Integration als Verpflichtung zu sehen. Mit unserem Modell ‚Ohne Deutsch keine Wohnung‘ waren wir Vorreiter für verpflichtende Integrationsschritte. Dieses Erfolgsmodell sollte nunmehr in Zusammenarbeit mit dem Bund und dem Land fortgesetzt werden.“
Integrationsreferent Vizebürgermeister Gerhard Kroiß: „Die Stadt Wels fördert mit einer Vielzahl von Deutschangeboten für Klein und Groß die Integration in unserer Gesellschaft. Denn das Ziel muss ein gedeihliches und gemeinschaftliches Miteinander sein, um der Entwicklung von Parallelgesellschaften entgegen zu wirken. Deutsch ist dazu der Schlüssel zum Erfolg!“
Im Bild (v.l.):
Bürgermeister Dr. Andreas Rabl und Integrationsreferent Vizebürgermeister Gerhard Kroiß
Bildhinweis: Stadt Wels (bei Nennung Abdruck honorarfrei)