Spielsuchtberatung prĂ€sentiert sich bei der FuĂball-EM
Bei all der positiven Stimmung und den groĂen Emotionen, die FuĂball bei vielen Menschen auslöst, haben Sportereignisse jedoch auch eine negative Seite. Gemeint sind damit Sportwetten â und die damit verbundene Spielsucht, die gerade bei GroĂereignissen, wie der FuĂball-EM, einen Höhepunkt erreicht.
Beratungsangebot wĂ€hrend der FuĂball-Europameisterschaft
Aus diesem Grund haben sich die im Bereich der stÀdtischen Spielsuchtberatung (Dienststelle Sozialservice und Frauen) beschÀftigten Mitarbeiter dazu entschieden, mit ihrem Beratungsangebot beim Public Viewing in der Welser Innenstadt öffentliche PrÀsenz zu zeigen.
Die klinische Psychologin Mag. Eliane Eder-Manser und Sozialarbeiter Florian Meingast eMBA BSc. klĂ€ren am Dienstag, 25. Juni (17:00 bis 19:00), Mittwoch, 26. Juni (20:00 bis 22:30 Uhr) und Donnerstag, 27. Juni (11:30 bis voraussichtlich 18:30 Uhr) abwechselnd am Kaiser-Josef-Platz, Minoritenplatz und Stadtplatz persönlich ĂŒber potenzielle Gefahren des Sportwettens auf. Dieses zusĂ€tzlich zur Beratung im Haus geplante Angebot soll dazu dienen, von Spielsucht betroffene Personen â und auch deren Angehörige â auf eine niederschwellige Art und Weise zu erreichen.
ErgĂ€nzend zu diesen Angeboten treffen sich die Mitglieder der Selbsthilfegruppe âGOLOâ â kurz fĂŒr Game Over, Life On â jeden ersten Donnerstag im Monat in den RĂ€umlichkeiten der DragonerstraĂe 22. Beginn ist um 19:00 Uhr. Verantwortlich dafĂŒr ist Stefan Resch (Mensch mit einstiger Spielsuchterfahrung). Er ist per E-Mail unter ooe.golo@gmail.com erreichbar.
Zur Vernetzung und zum Austausch mit anderen Organisationen ist die Spielsuchtberatung der Stadt Wels seit Dezember 2022 Mitglied beim Deutschen BĂŒndnis gegen Sportwetten-Werbung. DarĂŒber hinaus gibt es seit MĂ€rz 2022 die österreichische Initiative âSportwetten = GlĂŒcksspielâ, ausgehend von der Fachstelle GlĂŒcksspielsucht Steiermark (Dr. Monika Lierzer). In Oberösterreich sind auch die Spielsuchtberatung der Stadt Wels sowie der NeuroMedCampus und die Schuldnerhilfe vertreten.
Zahlen, Daten und Fakten
2023 berieten die Mitarbeiter der Welser Spielsuchtberatung 114 Personen in 888 BeratungsgesprĂ€chen. Davon waren 89 Personen spielsĂŒchtig (58 Prozent Geldspielautomaten, 43 Prozent Sportwetten, 16 Prozent Poker; Mehrfachnennungen möglich) und 25 Angehörige. Die Betroffenen betreiben oft mehrere GlĂŒcksspielarten wechselseitig, spielen dabei live und/oder online und sind ĂŒberwiegend mĂ€nnlich. Die Angehörigen hingegen sind vorwiegend weiblich (hauptsĂ€chlich MĂŒtter, Partnerinnen und Schwestern von GlĂŒcksspielenden).
Der Altersdurchschnitt betrug 2023 35 Jahre. Die jĂŒngste beratene Person war 17 Jahre jung, die Ă€lteste 63 Jahre. Die Betroffenen hatten im Schnitt Schulden in der Höhe von 15.000 Euro bei einer Spanne von null bis 900.000 Euro. Beratene Personen ohne Spielschulden gaben meist an, ihre Ersparnisse aufgebraucht und/oder WertgegenstĂ€nde, Immobilien und/oder GrundstĂŒcke verkauft zu haben, um ihre Spielsucht zu finanzieren. Die durchschnittlich verspielten Eigenmittel betrugen 20.000 Euro bei einer Spanne von null bis 1,2 Mio. Euro.
Die beratenen Personen kamen zur HĂ€lfte aus Wels-Stadt und Wels-Land, die andere HĂ€lfte aus den Bezirken Grieskirchen, Vöcklabruck, Gmunden, Eferding, Ried im Innkreis, SchĂ€rding, Braunau und Kirchdorf. Dabei waren 55 Prozent der Betroffenen alleinstehend, 29 Prozent verheiratet beziehungsweise in einer Lebensgemeinschaft und 13 Prozent geschieden/getrennt (3 Prozent wollten keine Angabe machen). 40 Prozent der Klienten hatten fĂŒr minderjĂ€hrige Kinder zu sorgen. 71 Prozent der beratenen Personen waren erwerbstĂ€tig, 27 Prozent ohne ErwerbstĂ€tigkeit (arbeitssuchend, SchĂŒler, Studenten), 4 Prozent in Pension und 1 Prozent in Karenz.
Erfahrungsbericht eines Betroffenen
Der Welser Stefan Falkner-Resch ist ein Mensch mit Spielsuchterfahrung und jetzt Leiter der Selbsthilfegruppe âGOLOâ (kurz fĂŒr Game Over, Life On). Seine Spielsucht startete im Alter von 16 Jahren. 15 Jahre lang verspielte er nicht nur sein ganzes Gehalt, sondern borgte sich unter erfundenen VorwĂ€nden auch Geld bei Verwandten und Freunden aus. Mit Hilfe einer Therapie gelang es Stefan Resch, von der Wettsucht wegzukommen. Er lieĂ sich von allen Online-Wettanbietern sperren und installierte auf seinem Smartphone eine App, die alle Kasino- und Sportwetten-Seiten blockiert.
Seinen Tagesablauf als SpielsĂŒchtiger beschreibt er folgendermaĂen:
âIch war jeden Tag nach der Arbeit im Wettlokal und habe so lange gespielt, bis ich mein ganzes Bargeld verbraucht habe. AuĂerhalb des Wettlokals habe ich in jeder freien Minute online gespielt. An den Wochenenden war ich oft schon vor der TĂŒr des Wettlokals, bevor es ĂŒberhaupt aufgemacht hat.â
Zu seiner ĂŒberwundenen Sucht nach FuĂballwetten sagt er:
âMir ging es nie wirklich ums Gewinnen und um das Geld. Mir ging es immer hauptsĂ€chlich um den âRauschâ und den damit verbundenen Adrenalinkick. Als FuĂballfan glaubt man, eine Ahnung zu haben, wie die Spiele ausgehen werden. Im Endeffekt kommt es aber immer auf den Faktor âGlĂŒckâ an.
FĂŒr alle, die immer wieder Sportwetten abgeben, hat Stefan Falkner-Resch folgenden Ratschlag:
âMan sollte sich selbst fragen, ob man diese Wetten braucht. Ist es nur ein Hobby oder schon eine krankhafte Sucht? Wird man unruhig, wenn man nicht spielt? Wie viel Geld gibt man dafĂŒr aus? Im Idealfall stellt man selbst fest, dass man ein Problem hat, und holt sich Hilfe, um aus diesem Teufelskreis herauszukommen.â
Zitate
Sozialreferentin VizebĂŒrgermeisterin Christa Raggl-MĂŒhlberger: âStudien zeigen, dass im Schnitt drei Angehörige eines SpielsĂŒchtigen aufgrund der Belastung selbst Krankheitssymptome wie Depressionen, Schlafstörungen oder Herzerkrankungen entwickeln. Aber nicht nur die gesundheitlichen Folgen, auch die finanziellen Strapazen treiben oft ganze Familien in den Ruin. Somit ist sie keine rein âprivateâ Sucht, sondern greift auch das Umfeld der Betroffenen an. In der Stadt Wels bieten unsere kompetenten Mitarbeiter der Spielsuchtberatung Hilfestellung fĂŒr Erkrankte und Angehörige.â
Dr. Monika Lierzer (Fachstelle GlĂŒcksspielsucht Steiermark): âAus österreichischen PrĂ€valenzstudien ist bekannt, dass Sportwetten nach dem Automatenspiel das höchste Suchtpotenzial unter den GlĂŒcksspielen haben. Sportwetten weisen wesentliche Risikomerkmale auf, die die Entwicklung problematischer Verhaltensmuster bis hin zur Sucht begĂŒnstigen. Die Neigung zur SelbstĂŒberschĂ€tzung erhöht das Risiko einer Suchtentwicklung, da sie zu ĂŒbermĂ€Ăigen WetteinsĂ€tzen fĂŒhrt.â
Bildtext:
Florian Meingast eMBA BSc, Mag. Eliane Eder-Manser, Sozialreferentin VizebĂŒrgermeisterin Christa Raggl-MĂŒhlberger und Mag. (FH) Bernhard Nagl (Dienststelle Sozialservice und Frauen).
Bildhinweise: Stadt Wels (bei Nennung Abdruck honorarfrei).