Welser Gestaltungsbeirat mit neuen Richtlinien zum JubilÀum
Vorgeschichte: 1988 bis 1991
Zwar gibt es in Wels bereits seit einem Beschluss des Gemeinderates im JĂ€nner 1988 einen Gestaltungsbeirat. Diese erste siebenköpfige Version war jedoch nicht unabhĂ€ngig, da sie zum ĂŒberwiegenden Teil aus Vertretern der Stadtpolitik und -verwaltung bestand: NĂ€mlich aus dem jeweiligen Planungs- und Kulturreferenten, den Leitern der damaligen Dienststellen Stadtmuseum, Stadtplanung und Hochbaudienst sowie Vertretern des Musealvereins und der damaligen Kammer der gewerblichen Wirtschaft fĂŒr Oberösterreich und Salzburg. In dieser Zusammensetzung wurden bis Ende 1991 in 23 Sitzungen insgesamt 131 Tagesordnungspunkte behandelt.
UnabhÀngigkeit: Seit 1992
Als unabhĂ€ngiges Gremium besteht der Gestaltungsbeirat in Wels seit einem Beschluss des Gemeinderates im MĂ€rz 1992. Diese Tatsache â und die erste Sitzung nach den damals neuen Richtlinien im Dezember des gleichen Jahres â bilden die Grundlage fĂŒr das heurige 30-jĂ€hrige JubilĂ€um. Planungsreferent und somit Vorsitzender war der damalige Stadtrat und spĂ€tere VizebĂŒrgermeister und BĂŒrgermeister Dr. Peter Koits. Bereits seit 1992 galt, dass sich der Kanzleisitz nicht in Wels-Stadt befinden darf und dass die jeweils drei Beiratsmitglieder âfrei sind von persönlichem Interesse am Welser Baugeschehenâ.
Das erste Dreier-Team bestand aus den von der Ingenieurkammer fĂŒr Oberösterreich und Salzburg nominierten Architekten Dipl.-Ing. Gert Cziharz aus Salzburg sowie Dipl.-Ing. Dr. Othmar Sackmauer und Dipl.-Ing. Albert Wimmer (beide Wien). Die Nachbesetzung erfolgte nach dem Prinzip, dass im Laufe eines Kalenderjahres das im jeweiligen Vorjahr lĂ€ngstdienende Mitglied ausscheidet und ein neues dafĂŒr nachrĂŒckt. Auf diese Weise kamen bis dato 32 Mitglieder zusammen. Davon stammten 13 aus Wien, acht aus Innsbruck, fĂŒnf aus Graz, drei aus Klagenfurt, zwei aus Salzburg und eines aus Bregenz: Also bewusst keines aus Oberösterreich. Ein Novum ist der momentane FrauenĂŒberhang von zwei zu eins: Vor der Nominierung von Dipl.-Ing. M.Arch Marlies Breuss im Jahr 2012 â der bis dato vier weitere Frauen folgten â waren ausschlieĂlich MĂ€nner zum Zug gekommen.
Von 1992 bis 2021 fanden 92 Sitzungen statt, die bisher letzte am Freitag, 26. November des Vorjahres (aufgrund von COVID-19 per Videokonferenz). WÀhrend dieses Zeitraumes behandelten die Mitglieder insgesamt 187 Projekte. Davon haben 163 den Gestaltungsbeirat erfolgreich passiert, davon rund 45 Prozent bei der ersten und weitere 30 Prozent bei der zweiten Vorlage. Die restlichen 25 Prozent benötigten bis zur erfolgreichen Genehmigung drei oder mehr Sitzungen.
Einige Projekte wurden in Wettbewerb ĂŒbergefĂŒhrt oder nicht weiterverfolgt. Es kam auch vor, dass der Beirat bereits vor Jahren genehmigte Vorhaben vor der Realisierung nochmals behandeln musste, da sich inzwischen die Anforderungen geĂ€ndert hatten (z.B. Fassadengestaltung). DarĂŒber hinaus waren die Gremiumsmitglieder bei vielen Architektenwettbewerben in der Jury vertreten. Diese Projekte mussten dann nicht mehr in den Gestaltungsbeirat, ausgenommen natĂŒrlich bei maĂgeblichen Ănderungen gegenĂŒber dem Wettbewerbsergebnissen.
Zukunft: Seit 2022
Die neuen Richtlinien geben den Rahmen fĂŒr die Arbeit des Gestaltungsbeirates fĂŒr die kommenden Jahre vor. In der ersten Sitzung am Donnerstag, 30. Juni behandelten Dipl.-Ing. Cede, Dipl.-Ing. Zahn, MSc und Dipl.-Ing. Murero insgesamt vier Themen, davon drei Wiedervorlagen. Nachstehend sind die wichtigsten Ănderungen und Neuerungen aufgelistet.
Neue Definition der Zielsetzungen:
- Der Gestaltungsbeirat unterstĂŒtzt das öffentliche Interesse der Gemeinde an der stĂ€dtebaulichen und architektonischen QualitĂ€t des Bauens undâŠ
- ⊠die Stadt bei der Sicherung der bestehenden stÀdtebaulichen und architektonischen QualitÀt, bei der Förderung der stÀdtebaulichen und architektonischen QualitÀt von Planungen und bei der Verhinderung von stÀdtebaulichen und architektonischen Fehlentwicklungen.
- Zudem berĂ€t er Politik und Verwaltung in der Formulierung stĂ€dtebaulicher und architektonischer Kriterien und unterstĂŒtzt in der Vermittlung dieser Kriterien an die BĂŒrger und die Medien.
Genauere Kriterien zur Beurteilung der Projekte (auszugsweise):
- Schaffung einer charakterbildenden Quartiersplanung mit zukunftsfÀhigen und adaptierbaren Strukturen und einer harmonischen Ausgewogenheit von Freiraum und Bebauung.
- IdentitÀtsstiftende Bau- und Freiraumstrukturen mit detailvollen, strukturierten, gegliederten und abwechslungsreichen Fassaden, die private und öffentliche FreirÀume von hoher QualitÀt ermöglichen.
- Das zu beurteilende Projekt hat sich in das Stadtbild optimal einzufĂŒgen. Dabei sind gerade in der Innenstadt bei der Fassaden- und Dachgestaltung die historischen Baustrukturen in die Gestaltung aufzunehmen und zu berĂŒcksichtigen.
- Bei Quartiersentwicklungen und groĂen Bauprojekten mĂŒssen ausreichende und teilweise öffentlich zugĂ€ngliche FreirĂ€ume zur VerfĂŒgung stehen. Allenfalls sind auch Parkanlagen fĂŒr den ĂŒbergeordneten Bedarf (z.B. Stadtteilparks) vorzusehen. Blockrandbebauungen sind bevorzugt.
- Der StraĂenraum ist so zu gestalten, dass neben einer ausgewogenen BerĂŒcksichtigung der Verkehrsarten jedenfalls auch die Pflanzung von StraĂenbĂ€umen ermöglicht wird.
Genauere Auswahl der Projekte, die in den Beirat kommen sollen:
- Dem Gremium werden sĂ€mtliche Bauvorhaben zur Begutachtung vorgelegt, die auf Grundlage ihrer GröĂenordnung oder ihres Standortes im Stadtbild dominant in Erscheinung treten beziehungsweise im Hinblick auf OrtsvertrĂ€glichkeit zu prĂŒfen sind. Dies betrifft insbesondere Projekte in der Innenstadt.
- Neu-, Zu- oder Umbauten von GroĂbauten mit einer BruttogeschoĂflĂ€che von mehr als 3.000 Quadratmetern fĂŒr Wohn-, Misch-, oder tertiĂ€re Nutzung. Dazu gehören Dienstleistungsbetriebe (BĂŒros, Gesundheitspraxen etc.), aber auch Betriebe fĂŒr den Handel mit Waren aller Art.
- Gewerbliche Neu-, Zu- und Umbauten mit einem Bruttorauminhalt von mehr als 20.000 Kubikmetern, wie insbesondere Fabrikations- und Lagerhallen.
- Bei stĂ€dtebaulichen Vorgaben fĂŒr Wettbewerbe ist der Beirat beratend tĂ€tig.
- Projekte, die ĂŒber Vorschlag des zustĂ€ndigen Stadtsenatsmitgliedes an den Beirat zugewiesen werden.
Teilnahme an den Sitzungen:
- Neben dem fĂŒr die Produktgruppe Stadtplanung zustĂ€ndigen Mitglied des Stadtsenates nehmen auch der BĂŒrgermeister und das fĂŒr die Produktgruppe Baurecht zustĂ€ndige Mitglied des Stadtsenates sowie die jeweils zustĂ€ndigen Sachbearbeiter teil. So soll die hohe QualitĂ€t der Projekte im Gestaltungsbeirat auch in der Realisierung umgesetzt werden.
- ZusÀtzlich können andere Fachleute oder SachverstÀndige (z.B. Denkmalschutz, Raumplanung, Verkehrsplanung etc.) beratend und ohne Stimmrecht beigezogen werden.
Bestellung und Funktionsdauer:
- Zwei Mitglieder werden von der Ingenieurkammer fĂŒr Oberösterreich und Salzburg, ein Mitglied wird vom fĂŒr Stadtplanung zustĂ€ndigen Mitglied des Stadtsenates vorgeschlagen.
- Die Funktionsdauer der Mitglieder wurde von drei auf viereinhalb Jahre verlÀngert. Alle eineinhalb Jahre kommt ein neues Mitglied hinzu.
- Nach einer Pause von eineinhalb Jahren ist eine Wiederbestellung möglich.
Zitat
Stadtrat Ralph SchĂ€fer, MSc (Bauen, Wohnen & Stadtentwicklung): âUm eine zeitgemĂ€Ăe Stadtentwicklung sicherstellen zu können, war es erforderlich, nach drei Jahrzehnten auch die Richtlinien des Gestaltungsbeirates an die Erfordernisse einer modernen Stadtplanung anzupassen. Bei kĂŒnftigen Bauprojekten spielen daher eine charakterbildende Quartiersplanung mit zukunftsfĂ€higen Strukturen und die Ausgewogenheit zwischen Freiraum und Bebauung eine bedeutende Rolle. Ausreichend öffentlich zugĂ€ngliche GrĂŒnrĂ€ume und Parkanlagen rĂŒcken ebenso in den Fokus des Gestaltungsbeirates. GebĂ€ude sollen sich auĂerdem optimal in bestehende Strukturen einfĂŒgen, Fassaden strukturiert und detailliert gestaltet und die vorhandene historische Bausubstanz in der Stadt bewahrt werden.â