Welser Tiergarten ist 90 Jahre jung
Neun tierische Jahrzehnte
Zum runden Geburtstag hat das seit 2016 von Dr. Gyula Gajdon geleitete Tiergartenteam mit dem Stadtarchiv eine Festschrift verfasst. Diese ist in Papierform im Tiergarten selbst, in der Dienststelle BĂŒrgeranliegen im BĂŒrgercenter (Rathaus, Stadtplatz 1, ErdgeschoĂ, Zi. 7) sowie digital unter www.wels.at/tiergarten erhĂ€ltlich. Neben der Gegenwart und einem Blick in die Zukunft ist darin auch die wechselvolle Geschichte des Tiergartens beschrieben. Nachstehend einige Höhepunkte:
1930 wurde im Zuge der Erweiterungen des 1880 angelegten Volksgartens ein âHirschenparkâ angelegt. Dieser bestand bis 1940 auf einer FlĂ€che von 14.000 Quadratmetern östlich der Transformatorstation bis zum heutigen Welldorado. 1933 errichteten die Vereine der Vogelfreunde und der KanarienzĂŒchter das erste Vogelhaus am GelĂ€nde samt VoliĂšre (FreiflugkĂ€fig). Diese Anlage ĂŒberdauerte den Zweiten Weltkrieg und wurde 1947/1948 von der Stadt ĂŒbernommen.
1950 war ein Jahr des Neubeginns: Es entstanden eine neue Fasanerie und neue VogelunterkĂŒnfte fĂŒr asiatische Fasane, Greifvögel, Dohlen, Enten, GĂ€nse, SchwĂ€ne und Pfauen. In den folgenden Jahren kamen Affen, Ziegen, Wiesel, WaschbĂ€ren, ein Meerschweinchen-Dorf und 1956 ein Alpinarium mit Steinböcken dazu. 1961 kam es dann zur Katastrophe: Alle Affen starben. 1962 folgte logischerweise ein weiterer Neubeginn mit zwei Rhesusaffen. In den folgenden Jahren bevölkerten auch Ponys, Esel, Zwergziegen und die ĂŒberaus beliebten HĂ€ngebauchschweine die Anlage.
1978 gab der Gemeinderat den Startschuss fĂŒr eine generelle Erneuerung als âHeimtiergartenâ mit Konzentration auf in Ăsterreich heimische Tierarten und verbesserter Tierhaltung. Eckpfeiler dieser Reform waren 1981 die Eröffnung einer Streichelwiese, 1985 die Errichtung einer neuen Fasanerie und eines neuen Affenhauses mit Freigehege sowie 1987 die Fertigstellung des neuen WirtschaftsgebĂ€udes. Nach einer Zeit der Unsicherheit um die Jahrtausendwende trug ab 2002 der Verein âFreunde des Welser Tiergartensâ (Kontakt fĂŒr interessierte kĂŒnftige Mitglieder: Obfrau Gabriele Göttlinger, E-Mail: freunde.welser.tiergarten@gmail.com oder Tel. +43 664 128 70 19) maĂgeblich zum Weiterbestehen als Gratisnaherholungsgebiet mit wissenschaftlich gefĂŒhrtem Tiergarten bei.
2007 stellte der Gemeinderat mit dem Masterplan âDie kunterbunte Welt der Tiereâ die im Wesentlichen bis heute gĂŒltigen Weichen fĂŒr den Tiergarten. Dieses konzeptionelle Fundament wurde 2011 und 2018 evaluiert und angepasst. In den vergangenen knapp eineinhalb Jahrzehnten gab es fĂŒr die GĂ€ste unzĂ€hlige sichtbare Zeichen der konsequenten Umsetzung des Masterplans.
Seit 2011 gibt es etwa den MĂ€rchenwald mit VoliĂšren-Anlage, Block-Haus und Wald-Spielplatz und das Haus der Primaten samt Baumkronenweg. Seit 2015 vermitteln eine neue Terrasse und ein Beobachtungssteg neue Perspektiven des Tiergartenteiches. Seit 2019 haben die Störche samt Verwandten in der Storchenanlage ein eigenes Platzl. Eine Liveschaltung zu den klappernden Kooperationspartnern in der Storchenstadt Rust im Burgenland gibt es via QR-Code. JĂŒngste Neuerung ist die VoliĂšre fĂŒr die Riesentukane samt passendem Aufenthaltsort fĂŒr die Besucher.
Auch die technische Infrastruktur (Sanierung des Schöpfrades, Verlegung des Wirtschaftsplatzes, Adaptierung des WirtschaftsgebĂ€udes) und die Spielangebote fĂŒr Kinder (Wasserspielplatz etc.) wurden laufend ausgebaut. Sehr beliebt ist etwa die seit 2004 von MĂ€rz bis Oktober aufgestellte HĂŒpfburg samt aufblasbarer Rutsche von Richard und Mathias Mauhart. Seit 2009 sorgt Betreiberin Marietta Baur im neuen Buffet fĂŒr das leibliche Wohl der TiergartengĂ€ste.
Allgemeines und Besonderes
- Seit 2010 ist der Tiergarten Wels vom zustÀndigen Bundesministerium offiziell als Zoo der Kategorie A anerkannt. Mit dieser Lizenz darf der Tiergarten alle Wirbeltierarten halten und zur Schau stellen. 2013 folgte die Anerkennung als wissenschaftliche Einrichtung.
- Nur wenige Zoos sind so zentral gelegen wie der Tiergarten Wels: Vom Stadtzentrum ist er in nur sieben Minuten zu Fuà erreichbar und Mitte MÀrz bis Mitte Oktober von 07:00 bis 19:45 Uhr sowie Mitte Oktober bis Mitte MÀrz von 08:00 bis 16:45 Uhr geöffnet.
- Der Tiergarten Wels ist â und bleibt â einer der letzten Vertreter stĂ€dtischer Zoos mit freiem Eintritt. Und das mit einem Tierbestand mit derart vielen zoologischen Besonderheiten und Kostbarkeiten, dass damit auch fĂŒhrende groĂe Zoos punkten könnten.
- Einer der neuesten ZugĂ€nge sind die sĂŒdamerikanischen BrĂŒllaffen: Sie sind dem Namen entsprechend nicht nur unter allen Primaten, sondern auch im Tiergarten Wels die lautesten Tiere. Mit ihrem Greifschwanz sind sie auch begnadete Kletterer.
- Das gröĂte Tier in Wels ist der Mandschurenkranich mit einer GröĂe von 1,5 Metern, das kleinste der Laubfrosch mit vier Zentimetern. Das gröĂte Gehege ist mit rund 2.600 Quadratmetern der groĂe Teich, den sich nun eine Kolonie Rosa-Pelikane mit dem bereits vorhanden Bestand an Wasserschildkröten, GrĂŒnfĂŒĂigen TeichhĂŒhnern und TrauerschwĂ€nen teilt. Das Ă€lteste Tier ist momentan eine Spornschildkröte im Alter von etwa 57 Jahren.
- Als Ersatz fĂŒr die verstorbenen letzten HĂ€ngebauchschweine wohnen nun neuseelĂ€ndische Kunekune-Schweine im Tiergarten. Nach einem Namenswettbewerb auf der stĂ€dtischen Facebook-Seite heiĂt die âFamilie Kunesâ nun Kunebert, Kunegunde und MilaKunes.
- Ab sofort ĂŒbernimmt âWilddingsâ unter der Leitung von Stadt-Tierpfleger RenĂ© Hofer-Hörndler die zoopĂ€dagogischen FĂŒhrungen. Unter www.wels.at/tiergarten gibt es Infos zum Angebot, Buchungen sind per E-Mail unter greifvogelhof-feyregg@gmx.at möglich.
Artenschutz und Forschung
Rund ein Viertel der gehaltenen Tierarten sind artenschĂŒtzerisch relevant â von den âin Ăsterreich in freier Wildbahn beinahe gefĂ€hrdetenâ Schwarzstörchen bis zu den âweltweit in freier Wildbahn ausgestorbenenâ Socorrotauben. Eine groĂe Rolle spielt die Teilnahme an Erhaltungszuchtprogrammen, wie etwa beim Habichtskauz, der nun in Ăsterreich in freier Wildbahn nicht mehr als ausgestorben gilt. Ăhnliches ist etwa bei den SchwarzstirnwĂŒrgern oder den Blauracken angedacht.
SelbstverstĂ€ndlich werden derartige Wiederansiedelungsprojekte grundlegend wissenschaftlich begleitet und sind somit Gegenstand der Forschung. Diese ist auch ein wichtiges Hilfsmittel bei Entscheidungen in Bezug auf die Tierhaltung und fĂŒr die Wissensvermittlung an die Besucher (zum Beispiel, wie Tiere die Welt sehen). Aus diesem Grund gab und gibt es immer wieder Studentenarbeiten in Kooperation mit den UniversitĂ€ten Salzburg, Wien oder anderen Instituten. Die Themen sind hier breit gestreut und reichen von den Problemlösungsfertigkeiten der Affen ĂŒber die Kommunikation bei Vögeln bis hin zum Bildungseffekt bei den Tiergarten-Besuchern.
Neue Anlagen und ZukunftsplÀne
Der Masterplan Tiergarten wird auch die Entwicklungslinien fĂŒr die kommenden Jahre vorgeben. Wie schon in den vergangenen 90 Jahren werden auch in Zukunft die Haltung von Vögeln, Affen, Schildkröten, heimischen Wildtieren und Nutztieren sowie anderen zugkrĂ€ftigen Tieren eine zentrale Rolle spielen. DarĂŒber hinaus soll der Tiergarten unter dem Motto âTiere entdecken und erforschenâ auch in der Wintersaison â und somit ganzjĂ€hrig â attraktiver werden.
Ein zentrales Projekt bildet hier das geplante Haus der Kobolde beim Buffet: In diesem eingeschossigen Haus sollen die Besucher auf voller LĂ€nge zwischen vier Tierbuchten durchspazieren können. Neben Löwenkopf- und LisztĂ€ffchen sowie Rotbauch- und Springtamarinen als Hauptdarsteller sollen darin auch Schildkröten, Agutis, GĂŒrteltiere sowie Arassari und andere exotische Vögel wohnen. Auch BĂ€nke zum Verweilen und Beobachten und ein Versuchskasten fĂŒr Kinder sind geplant.
Mit der Optimierung bestehender Anlagen werden bisweilen â wie zuletzt die BrĂŒllaffen und die Kunekune-Schweine â auch neue Tiere nach Wels kommen: Etwa die Rosa-Pelikane, die nun ganz neu am groĂen Teich zu bewundern sind. Aber auch bereits ansĂ€ssige Tiere bekommen ein angemesseneres Zuhause: Bei den springfreudigen afrikanischen Guereza-Mantelaffen wird die AuĂenanlage saniert, die Luchse sollen mittelfristig eine gröĂere Bleibe neben dem Wasserspielplatz am Teich bekommen, aus dem alten Luchsgehege wird dann eine begehbare FlugvoliĂšre mit Kuhreihern, Austernfischern, KampflĂ€ufern, SĂ€belschnĂ€blern und Flamingos und noch vieles andere mehr.
Auch die Frei- und GrĂŒnraumentwicklung ist ein wichtiger Bestandteil der weiteren Masterplan-Umsetzung. Vorgesehen sind hier eine weitere Verbesserung der Spielangebote, der Umbau des Baumbestandes auf klimafitte Baumarten und die vermehrte Pflanzung von heimischen Wildblumen und -stauden als LebensrĂ€ume fĂŒr Wildbienen und andere Tiere.
Zitate
BĂŒrgermeister Dr. Andreas Rabl: âDer Tiergarten mitten in der Stadt ist seit jeher ein Besuchermagnet. In den vergangenen 90 Jahren ist er gewachsen und vieles hat sich verĂ€ndert. Unser Tierpark vermittelt Wissen, es wird in vielen Bereichen geforscht und er trĂ€gt wesentlich zum Klimaschutz bei. Und das Wichtigste: Er gibt Tieren, die vom Aussterben bedroht sind, ein Zuhause.â
VizebĂŒrgermeisterin Silvia Huber: âIm Tiergarten sollen sich Tiere und GĂ€ste auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wohlfĂŒhlen. Und das auf jeden Fall weiterhin kostenlos! Besonders wichtig ist mir als Umweltreferentin im Sinne des Klimaschutzes auch die Erhaltung und Weiterentwicklung des Areals als Parkanlage.â
Im Bild (Gruppenfoto):
Dr. Gyula Gajdon (zoologischer Leiter), Tiergartenreferentin-VizebĂŒrgermeisterin Silvia Huber und BĂŒrgermeister Dr. Andreas Rabl (v.l.).